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Gewalt bei der Geburt

Für viele Frauen ist es einer der lang gehegten und größten Lebensträume: Endlich Mutter werden. Dabei zu sein, wie ein Kind sich entwickelt, wie es zur Welt kommt - und am Ende auf eigenen Beinen steht. Fragt man dann nach Symptomen in der Schwangerschaft, dann wird das oft abgetan. Es habe sich ja gelohnt, das sei nur ein bisschen Wasser in den Beinen und der Rücken sei nicht mehr fit.

Fragt man dann nach dem Geburtsvorgang, dann merkt man schnell: Viele Frauen möchten darüber nicht sprechen. Stunden voller Schmerzen werden runtergeredet, Verletzungen, die während der Geburt entstehen, werden normalisiert.

An dieser Stelle ist wichtig: Uns ist bewusst, dass das nicht immer der Fall ist. In vielen Fällen geht alles gut. Aber klar ist auch: Es gibt Frauen, die leiden bei der Geburt ihres Kindes Höllenqualen und erholen sich auch danach gar nicht oder nur schlecht, sei es körperlich oder seelisch. Wir möchten niemandem Angst machen, niemanden an den Pranger stellen. Aber wir möchten aufklären, sodass physische und psychische Beschwerden von Betroffenen ernst genommen werden.

Der Verein Mother Hood e.V. setzt sich für sichere Geburten und die Rechte von Frauen und Familien ein. Er macht alarmierende Zahlen öffentlich:

  • 10% bis 30% aller Geburten sind mit traumatischen Erlebnissen und Gewalt verbunden (hier variieren die Ergebnisse je nach Studie)
  • 50% der Frauen hatten mindestens einen negativen Vorfall während der Geburt ihres Kindes
  • 30% der Frauen sagen, sie wurden während der Geburt stark vernachlässigt, starke Schmerzen wurden ignoriert wurden oder die Kommunikation zu Geburtshelfenden war mangelhaft

„Für mich steht die Angst davor, dass ich dann wieder in so eine Situation komme, wo mich Leute unten anfassen und untersuchen müssen… und vielleicht nicht immer alles richtig machen.“

Stephanie, Betroffene aus dem Hochstift


Stefanies Geburt

Stefanie kommt aus dem Hochstift. Sie sagt uns im Interview: "Das was mir während der Geburt passiert ist, ist nicht richtig gewesen!" Das hat sie erst erkannt, als sie sich Hilfe im Gesprächskreis der Beziehungswerkstatt in Paderborn gesucht hat.

Stefanie war in einer Klinik außerhalb des Hochstifts. Es ist die Geburt ihres ersten Kindes. Drei Tage lang liegt sie in den Wehen. Zu diesem Zeitpunkt ist sie körperlich schon am Ende. Sie erzählt, dass sie auch psychisch an ihrer Grenze war. Stefanie fühlte sich allein gelassen, ihre Hebamme hatte zu diesem Zeitpunkt nämlich insgesamt vier Schwangere, um die sie sich kümmern musste.

In ihrem Zustand hat sie Eingriffe über sich ergehen lassen, über die sie vorher nicht aufgeklärt wurde. Als ihre kleine Tochter dann auf der Welt war, war alles anders. Aber nicht so, wie man sich das neue Leben als frisch gebackene Mama wünscht. Für Stefanie ist es jedes Mal eine Überwindung, zur normalen Vorsorge beim Gynäkologen zu gehen. Sie sagt, sie und ihr Partner wünschen sich eigentlich ein zweites Kind. Aber sie hat zu viel Angst. Angst davor, dass Leute sie im Intimbereich anfassen, untersuchen müssen - und vielleicht nicht alles dabei richtig läuft.


Hilfe für Betroffene

Katharina Gnoth und Julia Krüger leiten die Beziehungswerkstatt in Paderborn. Als systemische Coaches betreuen sich auch Frauen wie Stefanie, die eine traumatisierende Geburt erlebt haben. Denn ihnen ist klar, dass negative Geburtserlebnisse krasse Folgen haben können. Manche Frauen entwickeln psychische Erkrankungen wie eine Angststörung. Andere bauen eine gestörte Bindung zum eigenen Kind auf. Die beiden systemischen Coaches wollen Frauen dabei unterstützen, diese Erlebnisse zu meistern.


Die Geburt aus medizinischer Sicht

"Unsere Aufgabe ist es, in den Kreißsaal zu gehen und zu gucken, dass sich unsere Frauen in der Geburtssituation wohl fühlen."

Dr. Christine Schmücker, Oberärztin Geburtshilfe und Pränatalmedizin, St. Louise Frauen-und Kinderklinik Paderborn

Oberärztin Dr. Christine Schmücker weiß selbstverständlich auch um die Probleme, die es rund um das Thema Geburt und Geburtshilfe gibt. Das Team in der St. Louise Frauen-und Kinderklinik in Paderborn suche immer das Gespräch und die Aufarbeitung. Drei bis vier Mal im Jahr käme es zu solchen klärenden Gesprächen - dabei kommt auch manchmal raus, dass Frauen eine Geburt als traumatisch wahrgenommen haben.

Die Ärztin sieht aber auch den sozialen Druck als einen immensen Einfluss auf Schwangere. Viele von ihnen hätten eine genaue Vorstellung, wie eine Geburt laufen müsse - mit oder ohne sogenannte PDA, in bestimmten Positionen. Manchmal kann das aber nicht berücksichtigt werden, zum Beispiel bei Komplikationen.

Seit zwei Jahren gibt es ein freiberufliches Hebammen-Team an der St. Louise. So wird dafür gesorgt, dass eine Hebamme für zwei Schwangere zuständig ist. Noch besser wäre zwar eine Eins-zu-Eins-Betreuung, die ist aber auch aus Kostengründen nicht umsetzbar.


"Das Nichtssagen müssen wir, glaube ich, in der Geburtshilfe ganz viel ändern. [...] Es ist ganz viel die Sprache, die Kommunikation mit den Eltern, die Kommunikation zwischen Arzt und Hebamme."

Kathrin Ströthoff, Hebamme

 

Kathrin Ströthoff ist Hebamme. Sie hat sich gegen den Job in der Klinik entschieden und arbeitet jetzt in einem Geburtshaus. Zum Beispiel drei Schwangere gleichzeitig zu betreuen, das war ihr zu viel. Sie macht sich für eine Eins-zu-Eins-Betreuung stark. Das ist in vielen Fällen nicht umsetzbar. Kathrin Strothoff meint, dass die offenen Gespräche im Kreißsaal deshalb umso wichtiger werden. Empfinden Eltern die Geburt ihres Kindes als traumatisch, liege das häufig an zu wenig Aufklärung. Die Hebamme ist davon überzeugt, dass an dieser Stelle auch die Partner mehr sagen müssen. Als Pflegepersonal würde man einfach sein Programm machen. Beispielsweise ein anwesender Vater wäre in diesem Moment aber zum Beispiel der Klarste in dieser Situation und müsse dann auch Teil der Kommunikation sein.


Wenn ihr Hilfe sucht...

Euch stehen natürlich unsere Gesprächspartnerinnen zur Seite. Zusätzlich bietet Mother Hood e.V. eine Hotline an, über die ihr euch ganz ohne Verpflichtung melden könnt:

Das Hilfetelefon nach schwerer oder belastender Geburt erreicht ihr über die 0228 9295 9970.

Passt auf euch und aufeinander auf!


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